Häusliche Gewalt ist in der Schweiz verboten. Hier erhalten Sie eine Übersicht der wichtigsten rechtlichen Grundlagen. Die Beratungsstellen im Kanton informieren Sie im konkreten Fall über Ihre Rechte und Möglichkeiten.
Häusliche Gewalt ist strafbar
Jede Form von häuslicher Gewalt ist strafbar. Das Schweizerische Rechtssystem unterscheidet dabei zwischen Offizialdelikten und Antragsdelikten.
Ein grosser Teil der Vorfälle häuslicher Gewalt sind Offizialdelikte. Das bedeutet, dass sie von Amtes wegen verfolgt werden. Erfährt die Polizei von einem Offizialdelikt, muss sie aktiv werden. Das geschieht auch dann, wenn betroffene Personen dies nicht wollen.
Beispiele für Offizialdelikte von häuslicher Gewalt sind:
- Körperverletzung
- Drohungen und wiederholte Tätlichkeiten
- Tötungsdelikte
- Sexualdelikte
- Gewalt an Kindern
- Freiheitsberaubung
- Zwangsheirat, erzwungene eingetragene Partnerschaft
Bei einem Antragsdelikt müssen Opfer einen Strafantrag bei der Polizei stellen, damit ein Verfahren eingeleitet wird. Der Strafantrag muss spätestens drei Monate nach der Tat eingereicht werden.
Beispiele für Antragsdelikte sind:
- Beschimpfung, üble Nachrede, Verleumdung
- Einmalige Tätlichkeit
- Sexuelle Belästigung
- Hausfriedensbruch (Eindringen in den Wohnbereich des Opfers gegen dessen Willen)
- Missbrauch Fernmeldeanlage (Belästigung mittels technischer Hilfsmittel wie Textnachrichten, Mail, Soziale Medien etc.)
Wenn Sie Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind und nicht wissen, ob Sie Anzeige erstatten wollen, wenden Sie sich als Erstes an die Beratungsstelle Opferhilfe. Dort erhalten Sie kostenlos Hilfe zu Ihrer konkreten Situation. Die Mitarbeitenden der Beratungsstelle sind zu Stillschweigen verpflichtet und dürfen niemanden ohne Ihr Einverständnis informieren; auch nicht die Polizei.
Stellen, die von der Polizei über häusliche Gewalt informiert werden
- Beratungsstelle Opferhilfe: Diese nimmt Kontakt mit Opfern auf und bietet Unterstützung an.
- Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB): Wenn Kinder in den betroffenen Familien leben oder wenn wegen der Hilfsbedürftigkeit einer Person Schutzmassnahmen für Erwachsene zu prüfen sind.
- Regierungsstatthalteramt: Diese kann gewaltausübende Personen zu einem persönlichen Gespräch aufbieten.
- Staatsanwaltschaft: Wenn ein Strafantrag eines Opfers vorliegt sowie bei Offizialdelikten.
- Migrationsdienst: Wenn ausländische Staatsangehörige betroffen sind.
Was passiert, wenn die Polizei wegen häuslicher Gewalt zur Hilfe gerufen wird, erklärt die Kantonspolizei Bern.
Was passiert mit Kindern bei häuslicher Gewalt?
Geschieht ein polizeilicher Einsatz wegen häuslicher Gewalt in einem Haushalt, in dem Kinder leben, informiert die Polizei die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB.
Die KESB ist zuständig für den Schutz und das Wohl der Kinder und hilft den betroffenen Familien. Falls sich die Eltern nach einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt nicht selber um die Kinder kümmern können oder die Kinder zu ihrem Schutz anderswo unterkommen müssen, organisiert die KESB die vorübergehende Unterbringung. Wenn immer möglich sorgt die KESB dafür, dass die Kinder innerhalb der Familie oder bei Freunden bleiben. Das heisst nicht, dass die Kinder danach nicht mehr bei ihren Eltern oder einem Elternteil leben können. Die Angst, dass die Kinder der Familie weggenommen werden, ist in den meisten Fällen unbegründet.
Aufenthaltsrecht bei einer Trennung wegen häuslicher Gewalt?
Für eine Person mit einem eigenständigen Aufenthaltsrecht in der Schweiz ändert sich grundsätzlich nichts.
Wenn das Recht in der Schweiz zu sein, von der Ehe oder der Partnerschaft abhängig ist (Familiennachzug), muss die Situation durch eine Fachperson genau abgeklärt werden.
- Erfolgt die Trennung nach mehr als drei Jahren gemeinsamen Aufenthalts in der Schweiz und ist die betroffene Person integriert, kann sie eine eigenständige Aufenthaltsbewilligung erhalten. Dies unabhängig davon, ob häusliche Gewalt vorgefallen ist oder nicht.
- Härtefallregelung: Wenn eine Person sich wegen häuslicher Gewalt trennt, kann sie eine eigenständige Aufenthaltsbewilligung erhalten. Dazu muss die betroffene Person die Gewalt und deren Ausmass nachweisen können. Das kann u.a. mit einer ärztlichen Dokumentation, Polizeirapporten, Berichten von einem Frauenhaus oder einer Opferberatungsstelle geschehen.
Betroffene Personen erhalten bei spezialisierten Stellen Informationen und Beratung zu ihrer konkreten Situation.
Integrationsvereinbarung
Die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung kann mit einer Integrationsvereinbarung verbunden werden. In der Integrationsvereinbarung können gewisse Auflagen gemacht werden, z. B. dass die gewaltausübenden Personen ein Lernprogramm gegen häusliche Gewalt besuchen müssen.
Massnahmen der Polizei zum Schutz des Opfers
Wegweisung aus der Wohnung und Kontaktverbot
Die Polizei kann einer gewaltausübenden Person für die Dauer von 20 Tagen verbieten, in die gemeinsame Wohnung zurückzukehren. Die Polizei kann ihr auch verbieten, sich in die Nähe des Wohnortes, des Arbeitsplatzes oder der Schule der betroffenen Personen (Opfer, Kinder) aufzuhalten und mit ihnen in Kontakt zu treten. Wenn sich die Gewalt ausübende Person nicht an die Verbote hält, wird sie mit einer Busse bestraft.
Polizeilicher Gewahrsam
Die Polizei kann die gewaltausübende Person für 24 Stunden in Gewahrsam nehmen. Zum Beispiel, wenn diese sich der Wegweisung aus der Wohnung widersetzt. Oder wenn sie eine Gefahr für die betroffene Person ist.
Verlängerung der Schutzmassnahmen
Ein Opfer kann innerhalb von 14 Tagen beim Gericht eine Verlängerung der Schutzmassnahmen fordern. Als betroffene Person erhalten Sie bei der Beratungsstelle Opferhilfe Auskunft darüber, wie Sie vorgehen müssen.
Ist eine betroffene Person weiterhin in Gefahr, kann ein Gericht entscheiden, dass eine gewaltausübende Person länger in Gewahrsam der Polizei bleibt (max. 14 Tage).
Die Rechte des Opfers im Strafverfahren
Kommt es zu einem Strafverfahren, haben Opfer gewisse Rechte, über die sie von der Polizei informiert werden müssen. Zum Beispiel dürfen sich Opfer von einer Vertrauensperson zu Befragungen begleiten lassen. Opfer haben das Recht auf einen Dolmetscher oder eine Dolmetscherin. Opfer können verlangen, dass eine Person gleichen Geschlechts Fragen zu sexueller Gewalt stellt.
Die Beratungsstelle Opferhilfe informiert, welche Rechte Opfer von häuslicher Gewalt haben, und was das im konkreten Fall bedeutet. Die Beratung ist kostenlos und vertraulich.
Einstellung des Strafverfahrens
Opfer können in gewissen Fällen ein Strafverfahren stoppen, indem sie mitteilen, dass sie keine Bestrafung der Tatperson mehr möchten.
- Bei Antragsdelikten ist dies immer möglich (Rückzug des Strafantrags).
- Bei gewissen Offizialdelikten wird das Verfahren auf Ersuchen des Opfers für sechs Monate sistiert, d. h. unterbrochen. Die Unterbrechung ist nur möglich, wenn es für die Situation des Opfers hilfreich erscheint. Nach sechs Monaten wird Ihre Situation erneut überprüft. Entweder wird das Verfahren dann definitiv gestoppt oder es wird weitergeführt. Während der Zeit der Unterbrechung muss die gewaltausübende Person üblicherweise an einem Lernprogramm gegen häusliche Gewalt teilnehmen.